Projektbeschreibung

Die Zweiquellentheorie besagt, dass die Evangelisten Matthäus und Lukas nicht nur das ältere Markusevangelium benutzt hatten, sondern auch die sogenannte „Logienquelle“, abgekürzt „Q“ (für „Quelle“). Die Logienquelle ist uns zwar nicht real (als Manuskriptfund) erhalten geblieben, lässt sich aber aus den parallelen Passagen, die Matthäus und Lukas über das Markusevangelium hinaus bieten, rekonstruieren. Das Studium der Logienquelle verbindet dabei zwei der interessantesten Forschungsgebiete des Neuen Testaments: Die Frage nach der eigentlichen Intention Jesu, und zweitens, die Thematik der jüdischen Wurzeln des Christentums. In Q sind uns jedenfalls alte palästinische (wohl galiläische) Jesustraditionen erhalten geblieben – aus einer Zeit, da die Jünger*innen Jesu noch Juden und Jüdinnen waren.

Im Jahr 2000 wurde die Critical Edition of Q (CEQ) publiziert, eine Rekonstruktion, die nicht nur einen möglichen Q-Text bietet, sondern auch alle möglichen Rekonstruktionsvorschläge auflistet. Diese werden variation units genannt und als Fußnoten dem Text beigefügt. Basierend auf diesen variation units der CEQ hat sich das Projekt Documenta Q (hauptverantwortlich Prof. C. Heil, Universität Graz) entwickelt. In den Publikationen dieses Projekts wird über eine Zeitspanne von drei Jahrhunderten (19. bis 21. Jh. – von der Entstehung der Zweiquellentheorie bis heute) die gesamte Literatur zu diesen variation units aufgelistet. Die Documenta Q Reihe umfasst 32 Bände. Einer davon ist das hier verfolgte Projekt: Q 16,13.16-18: Gott oder Mammon – Seit Johannes die Königsherrschaft Gottes – Kein Häkchen des Gesetzes wird fallen – Scheidungslogion (kurz: Documenta Q 16).

Abgesehen vom wissenschaftlichen Wert, den so ein Forschungsbericht über drei Jahrhunderte darstellt, sind die hier genannten Themen zentral für unsere Rückfrage nach dem „historischen“ Jesus. In Q 16,13 kritisiert Jesus menschliche Gier – was gut zu Jesu Option für die Armen und Entrechteten passt. In Q 16,16 verkündet er den Anbruch der Königsherrschaft Gottes – ganz im Einklang mit seinem endzeitlichen Hoffen auf ein Eingreifen Gottes zugunsten einer besseren Welt. In Q 16,17 betont Jesus die ewige Gültigkeit des jüdischen Gesetzes – ein wertvoller Hinweis darauf, dass weder Jesus noch seine ersten Nachfolger*innen mit ihren jüdischen Wurzeln gebrochen haben. Q 16,18 schließlich verurteilt die Verstoßung der Ehefrau – ebenfalls charakteristisch, wie sich Jesus hier gegen willkürliche Verstoßungen von sonst rechtlosen Frauen einsetzt. Dieses Projekt hilft neben der Dokumentation der Forschungsgeschichte also auch dabei, das Anliegen Jesu besser verstehen zu lernen, und zu sehen, wie stark das beginnende Christentum im Judentum verankert war.